stick animation

»DESIGN & IDENTITY«

text & infographics
(only in german)

GLEICH ZU BEGINN

„Design und Identität“ — ohne weitere Einschränkungen wurde die Thematik in kleiner Runde offen diskutiert und von unterschiedlichsten Perspektiven und/oder Ebenen betrachtet.

Dies spiegelt sich auch in der Diversität der Ergebnisse und Ansätze wieder und lassen die Komplexität der Thematik erahnen. Die Diskussion umfasste konkrete designbezogene Inhalte, sowie sehr abstrakte theoretische Gedankenspiele unter Einbezug verschiedenster Ansichten, Definitionen und philosophischen Strömungen — Weltbilder verschiedene Identitäten.

Es waren genau diese Perspektiven und Erkenntnisse allgemeinster Natur, welche für mich persönlich das Verständnis und die Erschließung des Themenfeldes bereicherten und Potentiale eröffneten. Folglich wurde nach derart ausführlichen Diskussion und Reflexion, eine rein gestalterische Arbeit als kausales Ergebnis und selbsterklärendes Statement für mich immer unmöglicher. 

Der Grund dafür, daß unser fühlendes wahrnehmendes und denkendes Ich in unserem naturwissenschaftlichen Weltbild nirgends auftritt, kann leicht in fünf Worten ausgedrückt werden:

„Es ist selbst dieses Weltbild.
Es ist mit dem Ganzen identisch und kann deshalb
nicht als ein Teil darin enthalten sein.“

— ERWIN SCHRÖDINGER: GEIST UND MATERIE, ZSOLNAY VERLAG, WIEN 1986, 4. KAP., AUSGEDRÜCKT) S 77 BZW. B) S 90, ISBN 3-552-03810-8 —


Das vorliegende Zitat soll die Allgemeingültigkeit jeglicher gestalterischer Arbeit, zu denen auch formulierte Gedanken zählen, zu Beginn nochmals in eine Relativität rücken.

Eine Allgemeingültigkeit ist weder Sinn noch Zweck dieser Arbeit, sondern im weitesten Sinne ein reflektiertes Aufzeigen.

Es stellt somit einen Versuch der theoretischen Aufarbeitung dar, welche das persönliche „Weltbild“ als Bestandteil eines größeren Systems betrachtet und Bezüge zu dem Subjekt als essentiellen Bestandteil sucht — der Diskurs betrachtet somit Beziehungen zwischen „Design und Identität“ im allgemeinen.

Des weiteren wird mit stark verkürzten und beispielhaften Modellen gearbeitet, um Bezüge darzustellen.



Identität



Um zu beginnen, stellt sich die Frage, was unter Identität zu verstehen ist. Zwar hat jeder eine Vorstellung des Ichs, jedoch ist eine allgemeine Formulierung notwendig, um den Diskurs zu beginnen — man benötigt somit Definitionen.

Im Duden wird Identität mit folgenden Worten beschrieben:

a)
Echtheit einer Person oder Sache;
völlige Übereinstimmung mit dem,
was sie ist oder als was sie bezeichnet wird

b)
(Psychologie) als »Selbst« erlebte
innere Einheit der Person

— DUDEN ONLINE —

Betrachtet man die Definitionen wird deutlich, dass diese eine sehr statische Anschauung des Wortes darstellen. Dies ist auch der Quelle geschuldet, welche das allgemeine Verständnis des Identitätsbegriffes wiedergibt — sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner.


In dem Vortrag mit dem Titel „Is there a real you?“ spricht auch der Philosoph Julian Baggini über das Ich und die Vorstellung des Menschen über dieses.

Laut Baggini wird das Ich oftmals als der umveränderbare Kern oder Essenz einer jeden Person verstanden und spiegelt somit auch die im Duden zu findenden Definitionen wieder.

Baggini stellt fest, dass das „Ich“ als eigenständige Entität empfunden wird, welche laut seinem Beispiel gewisse Attribute besitzt. Dies hat zur Folge, dass eine sehr statische Vorstellung zur Identität manifestiert wird.

Baggini stellt diese Vorstellung mit einem Gegenmodell in Frage und bringt als Beispiel eine Uhr an. Der Gegenstand „Uhr“ wird als ein Ganzes ihre Teile angesehen, nicht aber als ein „Ding“, das zum Beispiel ein Armband, Zeiger und Zifferblatt besitzt.




„In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das naivste,
eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt,
ein kleiner Sternenhimmel, ein Chaos von Formen,
Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten.“

— HERMANN HESSE, DER STEPPENWOLF, GW BD. 7 (SUHRKAMP VERLAG, 1987, S. 242) —

Geht man davon aus, dass Wissen und Erfahrungen, Denken und Entscheidungen maßgebliche Bestandteile einer Identität sind, wird deutlich, dass diese eher dynamisch als statisch verstanden werden kann.

Legt man das von Baggini vorgeschlagenen Modell zu Grunde, eröffnen sich ein neues Konzept über eine Identitätsvorstellung.


Durch das dynamisieren des Begriffs kommt es weniger auf die konkreten Ereignisse, Wissen und Erlebte an, sondern auf das „Muster“ welches letztendlich durch diese erzeugt wird.

Alle Eindrücke werden somit auf eine bestimmte Weise aufgenommen, welches auf vorangegangene Muster aufbaut.

Es kann somit eine starke Beziehung von Identität und Zeit geschlussfolgert und ein eher prozesshaftes Verständnis als Grundlage des theoretischen Diskurses manifestiert werden.

Folglich ist Identität keine unveränderliche, statische Entität passiver Natur.

Einerseits bedeutet dies, dass jegliche neuen Eindrücke zu jedem Zeitpunkt eine evolutionäre neue Identität erschaffen, selbst wenn die Person dies nicht bewusst wahrnimmt und andererseits eine aktive Einwirken zur Formung von Identität denkbar ist und auch effektive Folgen hat.



IDENTITÄT UND DESIGN


Geht man davon aus, dass Wissen und Erfahrungen, Denken und Entscheidungen beeinflussen, wird deutlich, dass Identität in Bezug auf Design eine maßgebliche Rolle spielt, dessen Subjektivität man sich bewusst sein sollte.

Die Profession Design tut sich schwer im Rahmen ihrer Verfahrensweisen sich gegenüber anderen Disziplinen abzugrenzen und zum Beispiel einen eindeutig definierte Begriffssammlung zu liefern. 

Dies liegt schon allein an der Tatsache, dass noch keine allgemein gültigen oder akzeptierten Definitionen in der „Forschungsgemeinschaft“ formuliert worden und folglich die Kernkompetenzen gestalterischer Arbeit schwer zu vermitteln sind.

Intuition spielt zwar nicht nur im Design eine große Rolle, jedoch wird ihr in künstlerischen Disziplinen — der Design von der Allgemeinheit mehrheitlich zugeordnet wird — eine größere Rolle zugesprochen.

Jedoch sei angemerkt:

„Designers, unlike artists,
cannot devote themselves exclusively to problems
which are of interest to themselves personally.“

— LAWSON, BRYAN: HOW DESIGNERS THINK. THE DESIGN PROCESS DEMYSTIFIED.AMSTERDAM, BOSTON U.A. 2005 S.88 —


INTUITION

a)
als unmittelbare, nicht diskursive,
nicht auf Reflexion beruhende Erkennen,
Erfassen eines Sachverhalts oder eines komplizierten Vorgangs

b)
Eingebung, [plötzliches] ahnendes Erfassen

— DUDEN ONLINE —

Wie zu erkennen ist, sind die allgemeinen Definitionen in Form einer Eingebung ohne eigenständiges Zutun des Individuums oder gar der erlernten Fähigkeiten (von Design) formuliert.

Intuition als theoretischer Begriff baut jedoch auf nicht formulierbarem Wissen auf, welches aktiv erlernt werden muss und spiegelt sich meist in der Anwendung und handwerklichen Aktivitäten deutlich wieder.

Die Identität bekommt im Bezug auf Design insofern maßgeblich Bedeutung, da Gestaltungsdisziplinen stark auf Erfahrungen und demnach impliziten Wissen aufbauen, die erst durch wiederholte Anwendung erlangt wird. Zwar wird im Studium auch explizites Wissen vermittelt, jedoch ist besonders die stetige Anwendung zu einem grossen Teil für die Designdisziplin notwendig.

Im Volksmund wird genau auf dieses (implizite) Wissen oft mit dem Begriff der Intuition verwiesen, welche jedoch mit der „künstlerischen“ (Heureka) Eingebung wenig gemein hat.

Grundsätzlich sind Methoden und Strategien die Kommunikationswerkzeuge von gesamten, sowie kleineren Gestaltungsprozessen, um Intuition strategisch zu fördern. Die Anwendung dieser trifft jedoch keine Aussage über Erfolg oder Qualität des Ergebnisses, sondern ist als Handlungsvorschlag zu verstehen — die Gewichtung des individuellen „Musters“ als Entscheidungskompetenz kann und darf nicht vernachlässigt werden.

Methoden sind in der Lehre und Praxis auch so zu verstehen — sie dienen ein „gewisses Muster“ der Herangehensweise, Strategie oder Prozesses zu vermitteln und zu formen — anstatt selbst dieses zu sein.

„However, learning is not the same as performing,
and underneath skilled performance lies
mastery of technique and procedure.“

— NIGEL CROSS (2000) —


Im Design ist somit nicht nur das Handwerk der Disziplin, sondern insbesondere das (strategische) Denken gegenüber anderen Disziplinen eine Besonderheit, welche mit den Hilfsmitteln der Methoden und Strategien vermittelt werden, aber ihre Qualität auch in der praktischen Anwendung durch das Individuum zeigen müssen.

Laut Dreyfus und Dreyfus sind es jedoch mindestens zehn Jahre der intensiven Auseinandersetzung, die ein Expertenwissen hervorbringen, um eine „verlässliche Intuition“ zu einem gewissen Maße zu „garantieren“.

Methoden sind somit die Grundlage in der Designlehre und Praxis, um fachspezifisches implizites Wissen und somit auch Intuition zu fördern zu trainieren.



DESIGN


Trotz der Individualität von Gestaltungsprozessen informiert die persönliche Herangehensweise, sowie das Heranziehen spezifischer Methoden und Techniken das Ergebnis deutlich.

Dies liegt an den Philosophien und Werkzeugen, die der Methode implizit sind, sowie natürlich der zeitlichen Anordnung im Prozess und der Anwendung durch den Akteur, dessen Wissen, Position und Verständnis des Designbegriffs.

Dies lässt sich recht leicht am Beispiel des CAD erkennen — durch das Angebot gewisser Hilfsmittel kann einerseits relativ viel Zeit gespart werden, jedoch gibt es durch den Aufbau des Prozesses gewisse Beschränkungen, denen man nicht unbedingt bewusst unterliegt.

Eine Form, die in Handarbeit erarbeitet wird kann durch langsames Heranarbeiten andere Formen und Lösungen hervorbringen und hat weitere Vorteile hinsichtlich Haptik und realistische Proportion.

Es sei angemerkt, dass jegliche Hilfsmittel je nach Aufgabenstellung Vor- und Nachteile bergen — ein Richtig oder Falsch gibt es in diesem absoluten Sinne nicht.


Design, aus jeglicher Perspektive betrachtet, ist ein sehr individuell und einzigartig.

Auch die formulierten Methoden sind letztendlich auf die Anwendung von Subjekten angewiesen, aus dessen Prozess letztendlich Artefakte entstehen.

Im Kontext dieser Arbeit ist es wichtig hervorzuheben, dass die Gestaltungsdisziplin mit allen ihren Facetten gleich wie die Identität als keine feststehende Einheit definiert werden kann, sondern sich in einem größeren Kontext mit den Akteuren und den geschaffenen Artefakten immer weiterbildet.

Mit weiterbilden ist in diesem Fall gemeint, dass mit jeglichen neuen Ansätzen, Strömungen, Trends und Ergebnissen die gesamte Disziplin informiert wird.

Das Gemachte stellt somit das Fundament für das zu Kommende in Form von Wissen dar.



KULTUR


Des weiteren ist Design im Gegensatz zu klassischen Naturwissenschaften in der Öffentlichkeit sehr präsent, da unter anderem kulturelle Gegenstände gestaltet werden, oder sogar durch diese erschaffen werden.

Je nach Definition von Design kann einerseits postuliert werden, dass diese als ein Katalysator für nicht bewusste Bedürfnisse in der Gesellschaft oder Kunden wirkt — andererseits kann ihr auch eine manipulierende Komponente vorgeworfen werden, indem Design aktiv Bedürfnisse schafft.

Was jedoch unumstritten ist, ist dass Design die Zukunft verändert — auch hier kann nicht von „gut oder schlecht“ gesprochen werden, da Wissen aus dem Jetzt Grundlage für Zukünftiges sein soll. Eine Gestaltung muss sich demnach immer der Kritik der Öffentlichkeit stellen.

Durch diese öffentliche Präsenz ist Design als Ergebnis somit ein kultureller Spieler, dies gilt aber auch für die Disziplin selbst.

Es gibt somit eine starke zeitabhängige Komponente, der sich die Akteure nicht entziehen können. Jegliche Subjekte sind befangen durch eine epochale Prägung im Sinne von Kultur im Allgemeinen, Produktkultur, Design als Disziplin und Möglichkeiten der Technik — also des Wissensstandes.

Auch die Rezipienten „lesen“ geschaffene Artefakte auf eine bestimmte Weise, indem Formsprachen, wie zum Beispiel „Retro“ gelesen werden kann, obwohl die betreffende Person zu der referierten Zeit nicht zugegen gewesen sein muss.



PRODUKTE?


Während des Projektes wurden Objekte als Ergebnis angedacht, welche eine Umformung durchlaufen hatten.

Diese wurden jedoch nicht ausschließlich im Rahmen dieser Arbeit erzeugt und somit war eine klare Entwicklung aus einer Thematik heraus nicht klar erkennbar, obwohl diese Eindeutig mit Identität — nämlich mit meiner persönlichen — verbunden ist.

Diese Produkte sind jedoch ein klares Beispiel und Ableitung der theoretischen Gedanken, wobei das Motiv erst geklärt werden muss.

Es sind die Umstände und die persönliche Situation, welche sich in mehreren Punkten widerspiegeln:

Als Gestalter hat man im Grundsatz ein Bedürfnis sich in Objekten oder Artefakten mitzuteilen und auszudrücken — dies ist ein essenzieller Bestandteil, da man sich letztendlich der Kritik der Öffentlichkeit stellen muss. Hinzu kommt, dass man mit der Ausbildung auch verschiedene Handwerke erlernt um selber zu „produzieren“, welches nicht jedem gegeben ist.

Zwar gibt es eine immer größer werdende Gemeinde, wie zum Beispiel die DIY Bewegung, welche jedoch sehr begrenzt aufzufinden ist.

Die Umstände sind in diesem persönlichen Fall die eindeutigsten Indikatoren für die Untrennbarkeit gestalterischen Schaffens und jeglicher äußerer Einflüsse und Kulturzugehörigkeit.

Es ist zu erwähnen, dass mit dem Beginn des Studiums auch eine neue und zeitlich begrenzte Wohnsituation entstanden ist. Eine Ungewissheit, die dazu beiträgt, dass Gegenstände, die Mobilität verhindern, gemieden wurden. Dies ist natürlich wiederum in Zusammenhang mit der wandelnden Kultur zu sehen, in der Menschen ortsungebunden verschiedensten Tätigkeiten nachgehen — Heimat ist da, wo man ist.

Auch die verwendeten „Rohstoffe“ spiegeln gewisse kulturelle Sachverhalte wieder. Die Objekte wurden aus Ikea Möbeln hergestellt, 

welches natürlich als Student auch der finanziellen Möglichkeiten zu Gute kommt. Die günstigen Möbel bieten somit (fast) jedem die Möglichkeit seinen Wohnraum zu gestalten und einzurichten.

Interessant ist neben der großen Verbreitung der Produkte, die nahezu in jedem Haushalt zu finden sind, die „eigene Herstellung“.

Ein Prozess, bei dem teils ein gewissen Maß handwerklicher Fähigkeiten und schöpferischer Elan zu Tage tritt.

Jedoch ist Identität oftmals auch mit Exklusivität verbunden, was bei Ikea schon durch die Anzahl der Exemplare schwierig wird — Exklusivität ist jedoch nicht nur an Geld gebunden, sondern kann jegliche Ausdrucksformen haben — in meinem Fall einen zweiten Gestaltungsprozess mit Unikat-Charakter. Im Falle Ikea wird eine Persönlichkeit erst durch das Arrangement erkennbar — der Prozess schafft also immer Individualität und schafft Identität.



FAZIT


Die Erkenntnis wird erst wieder durch den Einbezug des Identitätsmodells deutlich.

Identität oder das Ich wird auch im Kontext von Design als ein agierender Bestandteil des Systems betrachtet, was generell auch richtig ist.

Geht es aber um die Auseinandersetzung und die Betrachtung der Auswirkung von Identität auf Design kann man durch eine neue Perspektive auch sich selbst reflektieren, um sich seiner Handlungen bewusst zu werden und gezielter einzusetzen.

Anstatt das Ich als eine kleine Einheit zu betrachten, kann es als Entität dargestellt werden, die aus Kultur, Design , Methoden und Wissen besteht, welche sich auf eine gewisse Weise bedingen und Identität bilden.

Zudem kommen die zeitlichen Einflüsse und Lebensumstände, welche als Bestandteil der Identität ungeahnte Auswirkungen auf die Entscheidungen im Design haben (und nicht nur können!).

Des weiteren stellt das Modell jegliche dogmatischen Regeln der Designdisziplin als gesamtes in Frage, da diese sich durch die agierenden Menschen aktiv beeinflusst werden kann — und mit diesem Wissen auch sollte!

↬Here is the printed version. Take a look inside!

Let'sbefriends! YoucanconnectonLinkedinandfollowmeonInstagram.
©Byung-Han Kim – all rights reserved – 2019